Genau 404 Seiten Text und Zahlen ist der Jahresabschluss 2018 dick, den der Gemeinderat zu genehmigen hatte – und den ein neuer Gemeinderat mal richtig gründlich durcharbeitete – wir wollen schließlich Sacharbeit machen und mitreden können. Hier die wichtigsten Zahlen im Überblick:
Einnahmen 342 + 3,4 ao Erträge, Aufwendungen 339 Mio, Gesamtergebnis 6,6 Mio Überschuss;
Gesamtvermögen der Stadt 722 Mio, dav. 535 Sachvermögen + 182 Finanzvermögen;
Einwohnerzahl 31.12.2018 115.966 (2.355 unter der Prognose lt. Strategiekontrakt), dav. 30.633 über 60 Jahre alt (S. 150)
Rathaus aus den 60er Jahren Denkmaleigenschaft, 27.298 m² Brutto Grundfläche, nutzbare Fläche als sog. Netto-Grundfläche beträgt 24.588 m², 476 Arbeitsplätze in 330 Büros, 11,4 Mio historischer Neubauwert
Sanierungskosten-Schätzung[1] Stand 2014 36 Mio €; bisher noch nicht kostenmäßig bewertete Randbedingungen denkmalgerechte Sanierung, energetische Sanierung Dach und Fassade, Barrierefreiheit/Inklusion, Mehrkosten Brandschutz, Mehrkosten Sanierung formaldehydbelastete Bauteile
Seit 2008 wurden schon 5 Mio € in die Rathaus-Sanierung investiert
In der Stadt Reutlingen lebten Ende 2018 insgesamt 1.781 Personen mit Fluchthintergrund.[2]
In den städtischen Unterkünften der Reutlinger Anschlussunterbringung leben zum Jahresbeginn 2019 insgesamt 1.112 Personen, dav. 270 Personen in 80 Wohnungen (Wohngemeinschaften oder Familien). Somit leben 62 % der Personen mit Fluchthintergrund in Reutlingen in städtischen Gemeinschaftsunterkünften und Wohnungen (und für die anderen 38% in Privatwohnungen zahlt der Steuerzahler höchstwahrscheinlich auch die Miete).
Für das Jahresende geht die Stadtverwaltung von einem Zuwachs von ca. 300 Personen aus
Die Belegungsquote der Gemeinschaftsunterkünfte beträgt 69 bzw. 76%; „der zunehmende Bedarf an sensibler Belegung zur Prävention von Konflikten.“
In 2019 werden 4 Unterkünfte mit zus. 433 Plätzen fertiggestellt und 20 weitere Wohnungen angemietet
Die Stadtverwaltung geht für 2020 von 100 Zugängen, 30 Geburten und 70 Personen Familiennachzug, zus. also 200 Personen aus, für die Folgejahre mit nur 150 – dies könnte sich angesichts aktueller Entwicklungen (OKT 2019) als viel zu wenig herausstellen
Die Stadtverwaltung plant jedes Jahr zusätzlich 20 Wohnungen auf dem freien Markt dazuzumieten, aktuell sind es schon 84 Wohnungen, die die Stadt für Flüchtlinge angemietet hat[3]
Der große Konkurrenzdruck auf den Wohnungsmarkt wird jedoch erst noch kommen, BM Hahn schreibt am 1.10.2019: „Strategisches Ziel muss es sein, durch den Erwerb von Belegungsrechten in privatem Wohnraum Gemeinschaftsunterkünfte mittelfristig schließen zu können.“ [4]
Für Flüchtlingsunterkünfte wurden allein für 2018 10,8 Mio geplant (aber nur 5,9 Mio ausgegeben/abgerechnet), für weitere Objekte fallen Mietkosten an (S. 21 Jahresabschluß)
Für Grundstückskäufe plante die Stadt 5,5 Mio; von Willy Betz wurden im Jahr 2016 6,4 ha gekauft[5] (IST Grunderwerb ges. 9,9 Mio). Der IST-Wert 2017 betrug 14,6 Mio. €, da wurden wohl die restlichen 7,7 ha gekauft, somit dürfte der Gesamtpreis der 14 ha bei 15 – 20 Mio gelegen haben, das wäre ein qm-Preis von 110 – 140 (max. 170) € gewesen.
Die jährlichen Abschreibungen betragen 17,7 Mio € (S. 22) – bei einem Sachvermögen von 535 (abzgl. 104 Mio unbebaute Grundstücke = 431) Mio. €, das entspr. einer Ø Abschreibungsdauer von 24 Jahren (S. 35)
Die wichtigsten Einnahmen: Zuweisungen vom Land 81 Mio, Einkommensteuer 67 Mio., Gewerbesteuer 60 Mio., Grundsteuer 19 Mio., Umsatzsteuer 11 Mio., zus. ca. 240 Mio; pro Bürger bekommt die Stadt über Einkommensteuer, Umsatzsteuer und vom Land ca. 1.200 €
Die Personalkosten der Stadt lagen 2018 bei 95 Mio (=28% des Ergebnishaushalts), 6% über Planansatz, von 60 Mio. in 2008 auf 95 Mio in 2018 – um 58% in 10 Jahren.
Die sog. „Netto-Steuerkraft“ ist von 2017 auf 2018 gesunken, von 254 auf 249 Mio
Bauinvestitionen wurden im Jahr 2018 für 25,88 + 17,75 = 43,63 Mio getätigt. Wenn die jährlichen Abschreibungen bisher 17,7 Mio betragen, müssten sie um mind. 43,6 * 0,03 = 1,3 Mio steigen
Die Stadt besitzt unbebaute Grundstücke im Wert von 104 Mio. € (Seite 35), bebaute Grundstücke für 250 Mio. €
Die Stadt hat 80 Mio. € Ausleihungen draussen – dav. 54 Mio an den Eigenbetrieb SER Stadtentwässerung Reutlingen
Reutlingen besitzt 1723 ha Wald plus 285 ha Forstbetriebsfläche (!?!) und erntet davon 10.000 Festmeter
Der städtische Weinberg hat 58 ar und brachte 2018 5.450 Liter!
Reutlingen hat knapp 5.400 Gewerbebetriebe mit 56.485 sozialvers.pfl. Mitarbeitern (S. 84) bzw. 9.216 (S. 93), dav. 412 Gaststätten und 29 Spielhallen
Bei 115.000 Einwohnern sind 76.000 Fahrzeuge zugelassen, Ø 2 Strafzettel pro Auto, 1 fließend, 1 ruhender Verkehr und Jahr, 3 Mio € Einnahmen aus Verwarnungen und Bußgeldern, 17 feste Blitzer und 3 Fahrzeuge zum Messen
22.600 Ausländer leben in RT, dav. 12.000 aus EU und 10.500 Nicht-EU, 217 Einbürgerungen in 2018 nach 252 und 275 in den Vorjahren
Die Feuerwehr hat 79 Mitarbeiter, 5,5 Mio Personalkosten und 6,6 Mio Gesamtbudget, 2.295 Einsätze im Stadtgebiet und 994 im Landkreis
Hauptamt EDV, Personal, Zentrale Dienstleistungen, Statistik & Wahlen, Einwohnerwesen und Parkierung: 133 Mitarbeiter, 10,7 Mio Personalaufwand
Kultur: 17 Mio Budget, 177 Mitarbeiter, 6,3 Mio Personalaufwand;
Sozialamt: 51,5 Mio Budget, 655 Mitarbeiter, 34 Mio. Personalaufwand;
Schulamt: 15,4 Mio Budget, 60 Mitarbeiter, 3,5 Mio Personalaufwand;
Reutlingen hat 48 „gedeckte“ und 76 „ungedeckte“ Sportstätten plus 3 Lehrschwimmbecken
Stadtentwicklung, Stadtplanung, ÖPNV: 7 Mio Budget, 62 Mitarbeiter
ÖPNV: 21 Mio „Beförderungsfälle“ bei 115.000 Einwohnern = jeder fährt im Jahr Ø 182mal Bus – Stand 2018, also bevor „alles busser“ wurde
Gebäudemanagement: 32,5 Mio Budget, 131 Mitarbeiter
Tiefbau, Grünflächen, Umwelt: 19,5 Mio Budget, 52 Mitarbeiter
Städtisches Grün: insgesamt 209 ha, dav. 64 ha Park, 123 Spielplätze mit 830 Spielgeräten, 88 Brunnen und Wasserspiele, 20.000 Einzelbäume plus 20.000 in Gehölzbeständen: Ø 87 € Verkehrssicherung je Baum p.a.
Umweltschutz: 116 ha Offenlandbiotope, 184 ha Waldbiotope, 149 ha Naturschutzfläche, 1.485 ha FFH-Schutzgebiet
Vermögenszuwachs (S. 362) von 712 auf 718 Mio, dav. Sachvermögen von 519 auf 535 Mio, Liquide Mittel – 7 Mio, Kreditschulden plus 6 Mio von 77 auf 83 Mio.
Die Stadt Reutlingen hat beim Kommunalen Versorgungsverband Pensions- und Beihilferückstellungen von 100 Mio. € (S. 367)
Bei 17,7 Mio Abschreibungen wurden 34 Mio Investitionen getätigt: 1,5 Mio für Grundstücke, 26 Mio für Baumaßnahmen, 5,3 Mio für bewegliches Sachvermögen, 1,5 Mio für Investitionsfördermaßnahmen
Kunst: Reutlingen besitzt ca. 900 Kunstgegenstände zum Anschaffungswert von ca. 9 Mio €, Durchschnittsanschaffungspreis also € 10.000
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 4,8 Mio. Bei 340 Mio Umsatz, dav. 90 Mio Personalkosten sind 250 Mio nicht Personal, dann wären das nur 7 Tage Zahlungsziel. …
Wesentliche Beteiligungen, Buchwerte: GWG 15 Mio., KGE West 3,2 Mio, Neue BWS 2,5 Mio., Stadtwerke SWR 40 Mio.
Nachtrag einen Tag später – was oben gefehlt hat – mal sehen, wer bis hierher liest: wenn ganz oben vom Vermögen der Stadt die Rede ist, dann muss auch von den Schulden die Rede sein, die stehen auf S. 37 unten. Sie sind von 78,3 Millionen in 2017 auf 85 Mio in 2018 gestiegen, siehe Bild.

So weit, so gut. Oder? Da hilft es, dass der Fraktionsvorsitzende der AfD, Hansjörg Schrade, schon in seiner grünen Zeit (bis 2012) einen Blog geschrieben und sich für die Finanzen der Stadt interessiert hat (hier). Und dass die Grünen mit Rainer Buck einen aufrechten Volkswirt bis 2017 in ihren Reihen hatten. Über seinen Abgang nach über 32 Jahren schrieb die Südwestpresse „Ein grünes Urgestein sagt Adieu“. Zuvor schrieb er jedoch im April 2012 einen Leserbrief, in dem er darauf hinwies, dass der Haushalt der Stadt nicht die Schulden der Eigenbetriebe ausweist. Denn: das Statistische Landesamt hat eine schöne Tabelle mit den Schulden aller ca. 1.100 Gemeinden aus BW online. Dort sind nicht nur die Schulden der Stadt, sondern auch die der Eigenbetriebe in einer extra Spalte aufgeführt. Und danach hat Reutlingen nicht „nur“ 85 Mio. Schulden, wie der Jahresabschluss 2018 aufweist, sondern zusammen 271 Millionen! Der Unterschied pro Kopf ist auch nicht ohne, nämlich 735 zu 2.340 €, für jeden der 115.000 Reutlinger! Wir werden das am Donnerstag in der Gemeinderatssitzung den Finanzbürgermeister Kreher fragen müssen.


[1] GR-Ds. 14/041/01 (Anmerkung: „Die Anlagen umfassen insgesamt ca. 1.000 Seiten. Mit Rücksicht auf die Übersichtlichkeit sind nur die Deckblätter eingefügt. Die vollständigen Anlagen können jederzeit eingesehen werden.“
[2] GR-Ds. 19/035/01
[3] GR-Ds. 19/035/03
[4] GR-Ds. 19/035/03
[5] https://www.reutlingen.de/de/Aktuelles-Info/Nachrichten/Nachricht?view=publish&item=article&id=8069 und https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/tuebingen/Stadt-stellt-Konzept-vor-Industrieparkt-der-Zukunft-in-Reutlingen-wird-konkret,betz-areal-reutlingen-wird-innovationszentrum-100.html
Vielen Dank für den Bericht zum Jahresabschluss 2018!
In diesem Zusammenhang wäre es auch sehr interessant, wenn man die Zahlen und Daten und Entwicklung zum Thema HIV-Empfänger der letzten Jahre bis heute aufzeigen könnte, parallel dazu die Anzahl, Kosten und Entwicklung zum Thema Migration. Ohne Zahlen kann man keinen Vergleich ziehen, für was und in welchem Verhältnis Geld ausgegeben wird. Gerne auch zu Obdachlosigkeit und Altersarmut, Jugend etc. Nur wenn man hier klare Fakten hat und vergleichen kann, nur dann kann man sehen, wie es mit der sogenannten sozialen Gerechtigkeit in dieser Stadt wirklich bestellt ist. Wäre toll wenn dazu etwas veröffentlicht würde. Danke.