Die neue Gemeinderatsfraktion hat Klage beim Verwaltungsgericht erhoben. Um was geht es? „Wesentliche Entscheidungen, die bis zum Zusammentreten des neu gebildeten Gemeinderats aufgeschoben werden können, bleiben dem neu gebildeten Gemeinderat vorbehalten.“ So steht es in § 30 der Gemeindeordnung, dieser Satz war 2015 von der grün-roten Regierungsmehrheit in die Gemeindeordnung eingefügt worden. Genau zwei Tage vor der Konstituierung des neuen Gemeinderats hat aber der „alte“ Gemeinderat unter Führung und Verantwortung des OB eine ganz dicke Tagesordnung noch abgearbeitet mit sehr wohl „wesentlichen Entscheidungen“. Darauf haben wir den OB in einem Brief Ende Juli hingewiesen (siehe Anlage) – ohne jede inhaltliche Reaktion.

Man kann nicht nicht kommunizieren: dass der OB auf einen wohlmeinenden Brief (wir haben ihm vier Wochen Bedenkzeit gegeben) zu einem wesentlichen demokratischen Prinzip („der Wähler hat gesprochen“) und zur gesetzlichen Arbeitsgrundlage des Gemeinderats (Gemeindeordnung) vier Wochen lang inhaltlich überhaupt nichts sagt – das ist natürlich auch „Kommunikation“!
Was bei mir als Kommunikationspartner ankommt ist ungefähr: „Schrade, Du Neuling im Gemeinderat, und auch noch von der AfD, Du bist jetzt erst mal ein paar Monate im Gemeinderat ruhig und brav, bevor ich mich mit Dir inhaltlich auseinandersetze. Die Bäume für das Gewerkschaftshaus hauen wir derweil um, der Film „Kein schöner Land“ über die Landschaftszerstörung in und um Reutlingen ist zwar traurig, aber das sind die Sachzwänge. Und wie die Gemeindeordnung zu interpretieren ist, darüber haben wir hier im Rathaus die Deutungshoheit, sie ist unser Herrschaftswissen. Warum hast Du sie überhaupt gelesen, was fällt Dir ein?“
So ungefähr kommt das bei mir im Kopf an, und das Ganze hat natürlich eine Vorgeschichte, nämlich
a) wollte ich 2011 von der Stadt wissen, wie sich die Sozialausgaben auf Deutsche vs. Ausländer verteilen – die Antwort war: „Eine Statistik wie von Ihnen nachgefragt, gibt es allerdings nicht und wäre vermutlich auch nicht hilfreich.“ Es soll also „nicht hilfreich“ sein, wenn der Bürger wissen möchte, wie sein Steuergeld verteilt wird!
b) stellte ich im Herbst 2017 mehrere Anfragen nach Landesinformationsfreiheitsgesetz, nach dem die Stadt dem Bürger auf Anfrage (fast) alles offenlegen muss. Sie darf dafür Gebühren verlangen, muss aber innerhalb drei Monaten antworten. Meine Anfrage wegen dem neuen Gas-Heizkraftwerk am Bahnhof und den Fernwärmeleitungen in der Oststadt haben die drei Monate erst mal gar nicht beantwortet, dann wollten sie € 1.100 Gebühren dafür (!), dann habe ich zurückgezogen und gesagt „als Gemeinderat krieg‘ ich’s billiger“.
c) Schon in einer Gemeinderatssitzung vor dieser letzten, nämlich am 27.06., also auch schon nach der Kommunalwahl, sollte der neue Radschnellweg für 4,9 Mio, mit der Asphaltierung von Lebensräumen streng geschützter Arten (sehr gute Stellungnahme von BUND, NABU und RANA hier) beschlossen werden. In dieser Sitzung ging ich als kleines Besucherle am Anfang bei der Einwohnerfragestunde ans Mikrofon und fragte schon damals, wie sie diese Sitzung gegen diesen Satz in der Gemeindeordnung begründen wollen – sie hätten also eigentlich vorgewarnt sein müssen.
d) Und dann einem neugewählten Gemeinderat, der offensichtlich die Gemeindeordnung, die Arbeitsgrundlage, genau gelesen hat, einfach vier Wochen nicht antworten. Ferienzeit ist für alle; aber so ein OB hat ein Büro und er hat noch einen Verwaltungsbürgermeister unter ihm, der auch Mitarbeiter hat. Allein das Gemeinderatssekretariat hat um die fünf Mitarbeiter.
Manche unserer Wähler haben uns sicher nur mit Bauchschmerzen gewählt. Aber die Bauchschmerzen auch der brävsten und geduldigsten Bürger ruhen daher, dass endlich wieder Recht und Ordnung in diesem Land einkehren muß. Wenn wir den OB daran erinnern, wenn wir höflich vier Wochen auf eine Antwort warten (auf die er sich schon zwei Monate vorbereiten konnte, siehe c)) – dann sind wir zum Handeln gezwungen.
Unser Handeln geschieht streng nach Recht und Gesetz. Und wir sind gewählt worden dafür, dass endlich die Sorgen und Nöte, der politische Wille der Bürger in der Demokratie ernst genommen werden. Die fünf Jahre Amtszeit werden schnell vorübergehen. Deshalb haben wir gleich am ersten Tag zwei Anfrage und zwei Anträge eingereicht. Und deshalb haben wir jetzt beim Verwaltungsgericht Klage erhoben. Nicht, um auf „Konfrontationskurs“ zu gehen, wie der GEA schreibt. Sondern weil dieses Land keine Zeit mehr hat. Die AfD und ihre Wähler haben das kapiert. Der GEA, die Stadtverwaltung und die anderen Parteien noch nicht. Das wird sich ändern.

„Schwierige Abwägung“ – pro Bürger, pro Natur, pro gute Luft, gegen weitere Verdichtung. Ist das so schwierig?
Quelle: https://web.facebook.com/KarstenAmann
Anlagen:
1. Mail an die Stadtverwaltung 2011 wg. Sozialausgaben für Ausländer (Bild unten)
2. Schreiben an OB vom 23.07. hier
3. Klage beim Verwaltungsgericht da
